Firmen könnten ihren Kunden oft eine weitaus grössere Auswahl an Produkten und Dienstleistungen bieten, als sie tatsächlich tun. Das Problem, dass Potenziale für Cross-Selling nicht genutzt werden, ist in der Unternehmenspraxis viel weiter verbreitet, als man annehmen würde.
Für den Kunden selbst gibt es natürlich gute Gründe, seine Produkte von verschiedenen Zulieferern zu beziehen. Zu den wichtigsten Gründen gehört die Risikominimierung. Der Käufer steckt den Verkäufer, basierend auf der aktuellen Kundenbeziehung, in eine Schublade. Er sieht ihn daher in erster Linie als Zulieferer für ein ausgewähltes Produkt oder eine spezifische Dienstleistung. Der Kunde verfügt normalerweise über eine mehr oder weniger explizite Liste, was er von wem erwirbt. Deshalb wird die Tatsache, dass auch andere Angebote der eigenen Nachfrage dienen könnten, vernachlässigt.
Auch von Anbieterseite aus gibt es Gründe, weshalb nicht das volle Potenzial ausgeschöpft wird. Es lässt sich häufig beobachten, dass Firmen in klar voneinander abgegrenzten Sparten gegliedert werden und dass jeder einzelne Bereich seine Kunden von den anderen unabhängig bearbeitet. Diese divisionale Organisation ist per se in keiner Weise schlecht oder hinderlich. Allerdings ist zu beachten, dass sich eine Geschäftsbeziehung, die zunächst in kleinem Umfang begonnen wird, um einen Fuss in die Tür des Kunden zu setzen, möglicherweise nicht stark ausbauen lässt. Naheliegender Weise informiert jeder Bereich ihre Kunden über die eigenen Produkte, also den Teil des Unternehmensportfolios, den sie am besten versteht. Diese Vorgehensweise macht aus dem Blickwinkel der jeweiligen Sparte Sinn, besteht doch immer die Möglichkeit, dass sich ein Kunde von einem zu grossen Angebot erschlagen fühlt und schlussendlich ganz abspringt. Für die Firma als Gesamtes ist diese Variante jedoch nicht optimal, da der „Share of Wallet“ beim Kunden nur schwer vergrössert werden kann. Ausserdem wird die Ansprache von Neukunden erschwert. Aufgrund der Tatsache, dass es für ein Unternehmen kostenintensiver ist, einen neuen Kunden zu akquirieren als einen bestehenden Kunden zu halten, sollte eine Verstärkung der internen Zusammenarbeit in Betracht gezogen werden, um den „Share of Wallet“ zu vergrössern.
Es ist nicht ganz einfach, diese teils widersprüchlichen Probleme zu lösen. Folgende Punkte sollten aber sowohl bei bestehenden als auch neuen Kunden in Betracht gezogen werden:
- Kommunikation: Kommunizieren Sie Ihr Portfolio dem Kunden gegenüber proaktiv, denn er hat möglicherweise gar nicht Ihr gesamtes Portfolio im Blick
- Kundenpotenzial: Bleiben Sie realistisch und überschätzen Sie das Potenzial des Kunden nicht
- Kundenvorteile: Bieten und kommunizieren Sie dem Kunden zusätzliche Vorteile statt ausschliesslich auf den Preis zu setzen
- Positionierung: Positionieren Sie sich breiter und versuchen Sie mehr, als nur einen Fuss in die Türe zu setzen
- Kundenbeziehungen: Definieren Sie klare Cross-Selling-Strategien, mit denen Sie bestehende Beziehungen ausweiten können
- Cross-Selling: Unterstützen Sie Ihre Cross-Selling-Aktivitäten durch verbesserte Koordination von Verkauf und Spezialisten
- Wertschöpfung: Richten Sie die Wertschöpfung ihrer Unternehmung vermehrt nach dem Kunden aus
Das Problem, dass man vom Kunden ausgehend von der bestehenden Geschäftsbeziehung in eine Schublade gesteckt und auf eine einzelne Transaktionsform reduziert wird, wird häufig unterschätzt. Leider gibt es keinen eindeutigen Weg aus diesem Dilemma, da das Problem selbst sehr vielschichtig ist. Dennoch können Anbieterunternehmen verschiedene Massnahmen ergreifen, um sich Schritt für Schritt aus der engen Schublade zu tasten.
Basierend auf: Belz, C. (2015). Raus aus der engen Schublade beim Kunden!. Sales Management Review, 5. 44-47.