Auch wenn das Potenzial von Value-Selling weitaus umfassender ist, liegt ein grosser Vorteil des Ansatzes darin, dass Anbieter höhere Preise durchsetzen können. Durch die Festlegung des Pricings auf Grundlage des Mehrwerts für den Kunden können Unternehmen gegenüber ihren Mitbewerbern besser argumentieren und profitieren finanziell davon.
Die defensive Rolle des Verkaufs
In der Praxis dominieren allerdings nach wie vor kostenbasierte und wettbewerbsorientierte Pricing-Ansätze. Diese führen dazu, dass Verkäufer in Verhandlungen häufig eine eher defensive Rolle einnehmen und lediglich versuchen, die angeblich zu hohen Preise zu verteidigen. Werden Offerten von Kundenseite angefragt, ist es meist schon zu spät, spezifische Zusatzvorteile des eigenen Angebots deutlich zu machen. Dabei ist es aus Anbietersicht viel sinnvoller, schon früher anzusetzen und den Kunden mit dem gebotenen Wert der eigenen Leistung zu überzeugen. Auf diese Weise können langwierige Preis- und Konkurrenzdiskussionen deutlich reduziert werden.
Die richtigen Weichen für Value-based-Pricing stellen
Für erfolgreiches Value-based-Pricing muss die gesamte Organisation auf den Mehrwert für den Kunden ausgerichtet werden. Es reicht nicht, den Mitarbeitenden einfach nur neue Verkaufsargumente zu diktieren. Vielmehr gilt es, folgende Aspekte zu berücksichtigen:
- Festpreispolitik vermeidet Diskussionen: Uneingeschränkte Freiheit bei der Preisfestlegung kann negative Folgen haben. Zwar kann die Zahlungsbereitschaft einzelner Kunden berücksichtigt werden, gleichzeitig besteht aber die Gefahr, dass Preisnachlässe zu vorschnell gewährt werden. Eine einheitliche Preispolitik mit fixen Preisen hingegen fördert die Argumentation über den Mehrwert, da der Kunde nicht mit einem tiefen Preis überzeugt werden kann. Zudem nimmt es den Vertriebsmitarbeitenden das Gefühl, dem Kunden preislich entgegenkommen zu müssen.
- Richtige Anreize bewirken ein Umdenken: Vertriebsmitarbeitende stehen unter dem Druck, ehrgeizige Verkaufsziele zu erreichen und gleichzeitig dem Ansatz des Value-based-Pricings zu folgen. Nicht selten nehmen sie diese beiden Ziele als widersprüchlich wahr. So sehen sich Verkäufer beispielsweise gezwungen, dem Kunden mit einem Preisnachlass die Entscheidung für einen Anbieterwechsel zu erleichtern, um die eigenen Ziele zu erreichen. Damit ein Umdenken stattfindet, sollte der Erfolg des Verkaufsteams auf Grundlage des Gewinns statt nach Umsatz bewertet werden.
- Erfolgreiche Strategien berücksichtigen Mitarbeiterwissen: Das Wissen der Mitarbeitenden, die in der direkten Interaktion mit Kunden stehen, ist wertvoll und bietet Unternehmen zahlreiche Ansätze für Verbesserungen. Es lohnt sich deshalb, die Vertriebsmitarbeitenden in die Strategiegestaltung und Preispolitik miteinzubeziehen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass der Vertrieb und die technischen Abteilungen einander ergänzen.
Wenn es dann doch zur Preisdiskussion kommt…
Obwohl es am besten ist, sich erst gar nicht auf Verhandlungen einzulassen, die sich ausschliesslich um den Preis drehen, lassen sich derartige Diskussionen nicht immer vermeiden. Um das Gespräch weg von der reinen Preisbetrachtung hin zu einem konstruktiven Dialog zu lenken, bieten sich aus Vertriebssicht folgende Argumentationsansätze an:
- Leistungsfähigkeit und Mehrwert des Angebots explizit aufzeigen: Um den Kunden zu überzeugen, sollten Vertriebsmitarbeitende die Vorteile des eigenen Produkts ausführlich darstellen, veranschaulichen und demonstrieren. Das Ziel ist es, die Überlegenheit der eigenen Leistung im Vergleich zu Angeboten der Mitbewerber zu verdeutlichen. Zu diesem Zweck sollten insbesondere die Vorteile hervorgehoben werden.
- Aufwände der Lösungsfindung transparent kommunizieren: Oftmals ist Kunden nicht bewusst, wie ihre Anforderungen den Endpreis einer Leistung beeinflussen. Durch das Offenlegen dieser Zusammenhänge kann der Käufer nachvollziehen, welche Aufwände seine spezifischen Wünsche auf Anbieterseite verursachen und hat gegebenenfalls die Möglichkeit, diese anzupassen.
- Erst mit der Leistung überzeugen, dann Preise verhandeln: Preisverhandlungen sollten nicht am Anfang des Kaufprozesses stehen, sondern nach Möglichkeit auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. So kann sichergestellt werden, dass dem Kunden die Vorteilhaftigkeit des Produkts ausreichend bewusst ist und nicht einzig der Preis das kaufentscheidende Kriterium ist.
Den Dialog mit dem Kunden durch Wahlmöglichkeiten initiieren
Um zu verhindern, dass Unternehmen ihre Leistungen unter Wert verkaufen, sollten sie ihren Kunden mehrere Optionen in unterschiedlichen Preisklassen zur Wahl stellen. Bei diesen Optionen werden die Leistungen des Unternehmens unterschiedlich kombiniert (z.B. eine No-Frills-Variante, die 60 Prozent des Gesamtangebots abdeckt, sowie ein Mehrwertangebot, welches das volle Leistungsangebot ausschöpft). Stellt ihnen ein Anbieter die Möglichkeit zu wählen, verzichten Kunden in der Regel darauf, allzu viele Vergleichsangebote bei Wettbewerbern einzuholen. Statt blind auf die vermutete Zahlungsbereitschaft des Kunden zu zielen, bietet ein solcher Ansatz die Möglichkeit, Preisspielräume beim Kunden zu öffnen. Jedoch ist zu beachten, dass nicht alle Kunden derartige Wahlmöglichkeiten schätzen und eine zu grosse Vielfalt schnell überfordern kann.
Value-Selling als übergeordneten Ansatz begreifen
Wer Value-Selling einzig als Möglichkeit zur Durchsetzung höherer Preise versteht, verkennt das Potenzial des Ansatzes. Im Vordergrund steht ein ganzheitlicher Ansatz, der die Realisierung eines Mehrwerts für Kunden und die Differenzierung vom Wettbewerb zum Ziel hat. Allerdings funktioniert Value-Selling in Unternehmen nur, wenn alle Funktionsbereiche miteinbezogen werden, um gemeinsam einen Mehrwert für Kunden zu entwickeln. Im Anschluss gilt es, die Leistungen mit einem qualifizierten Vertrieb umzusetzen und für unterschiedliche Kundengruppen zu multiplizieren.
Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie hier:
Belz, C., Dannenberg, H., Redemann, M., & Weibel, M. (2016). Value Selling. Schäffer-Poeschel.